Arzneikraft am Beispiel von sekundären Pflanzenstoffen
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Hahnemann schreibt im Organon der Heilkunst, 6. Auflage:
§ 20
Diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft, Menschenbefinden umzuändern und daher Krankheiten zu heilen, ist an sich auf keine Weise mit bloßer Verstandes-Anstrengung erkennbar; bloß durch ihre Aeußerungen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen, läßt sie sich in der Erfahrung, und zwar deutlich wahrnehmen.
Er bezieht sich hier ganz sicher auf die Kollegen seiner Zeit, die ohne richtig zu forschen den Arzneien Wirkungsmechanismen zuschrieben oder gar Signaturen der Arzneien zugrunde legten:
Eine rote Blüte oder eine rote Substanz hat nicht unbedingt Einfluss auf die Blutbeschaffenheit, genauso wenig wie eine Arznei, die aus einer Taube hergestellt wurde, unbedingt für einen schüchternen, sanftmütigen Patienten passen muss.
Das wir heute sehr viel über sekundäre Pflanzenstoffe wissen, mehr als Hahnemann das zu seiner Zeit wissen konnte (und er wusste schon viel – siehe seine Anmerkungen in der Materia medica pura), scheint dazu im Gegensatz zu stehen.
Man könnte meinen, dass wir wenn wir z.B. etwas über Phenole wissen, mehr als nur die geistartige Wirkungskraft kennen.
Phenole sind in der Lage Proteine von Pathogenen zu hemmen, indem sie mit Aminosäuren reagieren – durch Bildung von H-Brücken und ionischen Bindungen.
Es gibt in der Gruppe der Phenole z.B. die Anthrachinone:
Sie finden sich in Abführmitteln wie Sennesblättern, Aloe und Faulbaumrinde – Die Pflanzen nutzen sie als Repellent gegen Herbivoren.
Im Darm verhindern sie die Resorption von Natrium aus dem Darm, wirken also antiresorptiv, vermehren dabei gleichzeitig die Sekretion in den Darm.
Sie werden erst im Darm aktiv, da sie erst dort aus ihrer Zuckerverbindung gelöst werden.
Hypericin ist ein Anthrachinon-Derivat, welches sich im echten Johanniskraut findet. Die Pflanze nutzt es als ein photoaktives Repellent.
Die Fressfeinde werden empfindlicher gegen das Sonnenlicht.
Hypericin wird als Antidepressivum eingesetzt (wahrscheinlich auch weil es empfänglicher für die stimmungsaufhellende Wirkung der Sonne macht)
Hypericin aktiviert Cytochrom P450 in der Leber und deshalb wirken einige Medikamente nicht mehr, weil der First pass Effekt erhöht wird.
Fagopyrin (auch ein Anthrachinon) in Buchweizen hat ebenfalls eine photosensibilisierende Wirkung – hierin sieht man noch keine therapeutische Bedeutung, nur den negativen Effekt.
Fagopyrin ist verantwortlich für den sog. Fagopyrismus (Buchweizenkrankheit), eine bei hellem und geschecktem Vieh nach dem Verzehr von Buchweizen auftretende, langsame Vergiftung.
Gleichzeitig enthält Buchweizen viel Rutin:
ein Flavonoid, welches durch seine antioxidative Wirkung unter anderem Gefäße kräftigt,
aber eben auch ein Farbstoff zum Schutz gegen UV-Strahlung ist.
Auch Johanniskraut enthält Rutin.
Nun aber die Fragen:
Wissen wir denn wirklich alles darüber?
Können wir uns erklären, warum eine Heilpflanze wie das Johanniskraut noch so viel mehr kann, als nur ihre einzelnen Bestandteile?
Geht hier die Forschung, wie sie Hahnemann an gesunden Prüfern durchführte über das bekannte Wissen hinaus?